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Karma beachten und beobachten

von
Zentatsu Richard Baker Roshi

Karma ist auch in den westlichen Sprachen zu einem im Allgemeinen gut verstandenen Begriff geworden, denn er entspricht weitgehend unseren zeitgenössischen psychologischen Vorstellungen über die Auswirkungen vergangener Erfahrungen in der Gegenwart. Es gibt jedoch einige Unterschiede. Die buddhistische Auffassung von Karma konzentriert sich auf geistige und körperliche Handlungen in Vergangenheit und Gegenwart und auf die Art und Konsequenzen dieser Handlungen in Beziehung zu dem Ausmaß, in dem wir sie beabsichtigt haben. Im Gegensatz zur westlichen Psychologie werden jedoch keine Erfahrungen einbezogen, die unabhängig von der jeweiligen Absicht sind. Zum Beispiel gibt es keine "Kinder-Karmalogie" als mögliche Entsprechung zu den Studien der Kinderpsychologie, die sich mit Auswirkungen von Erfahrungen im Säuglings- und Kindesalter beschäftigt, welche oft in keiner Beziehung zu unseren Absichten stehen. Im Buddhismus würde man im Allgemeinen davon ausgehen, dass die Erfahrung solcher Eindrücke durch unsere eigenen Handlungen in einem früheren Leben verursacht worden ist.

Ungeachtet dieser traditionellen buddhistischen Erklärung von Ursachen möchte ich hier über Karma sprechen, das das Ergebnis von Handlungen in diesem uns vertrauten Leben ist. Ich spreche nicht über Karma als Bedingung für eine Wiedergeburt. Genau diese gegenwärtige Lebenszeit ist der Bereich der Zen-Praxis. Die Theorien und Untersuchungen der westlichen Psychologie werden die Definition von Karma erweitern und voraussichtlich auch unsere Praxis in Bezug auf Karma verfeinern. Lasst uns dennoch die traditionelle Vorstellung von Einfluss und Auswirkungen von Karma auf die Zen-Praxis in diesem Leben betrachten.

Karma ist ein Synonym für das Gesetz von Ursache und Wirkung

Die Wurzel des Wortes ´Karma' hat die Bedeutung ´tun, machen', und Karma ist zu einem Begriff dafür geworden, wie wir uns selbst durch unsere Handlungen ´machen'. Karma bezieht sich auch auf geistige und körperliche Handlungen hinsichtlich ihrer Art, Speicherung, Zugänglichkeit und Konsequenzen; und Karma ist ein Synonym für das Gesetz von Ursache und Wirkung. In diesem Sinn stellt eine geistige oder körperliche Handlung einen Samen und die Konsequenz daraus die Frucht dar (auch eine Absicht ist ein Same, aber hauptsächlich durch ihre Umsetzung in eine Handlung). Die Art des Samens und unsere Absicht beim Vorbereiten und Säen bestimmt, ob uns die Frucht auf den Kopf fällt oder uns ernährt. Wir können diese Metapher auch noch ausweiten und das Aufziehen der Pflanze und das Ernten und Kochen der Frucht einbeziehen.
Indem wir eine andere Metapher benutzen, können wir jede geistige und körperliche Handlung als einen Generator von Karma und gleichzeitig als Teil eines Schaltplans verstehen, der die Ladung des früheren Karmas in die Gegenwart und in die Zukunft trägt. Es ist möglich, eine ganze Menge über diesen Schaltplan und die Art von Karma, die wir erzeugen, auszusagen.

Karma ist gewohnheitsmäßige Neigung. Karmaist kein Schicksal.
Achtsamkeit und Meditationsübungen können wir als Wege auffassen, die Leitungen zu erweitern, den Schaltplan zu verändern, und die karmische Ladung und das, was zusätzlich noch in den Leitungen transportiert wird, zu beeinflussen. Diese Übungen dienen dazu, früheres Karma zu absorbieren, zu zerstreuen und umzuwandeln; und sie dienen auch dazu, die Art und Weise umzuwandeln, auf die dieses frühere Karma für zukünftigen Gebrauch -und für zukünftige Freiheit davon- wieder in unseren (Alaya-)Batterien gespeichert wird.

Entweder kochen wir unser Karma, oder wir werden von ihm gekocht

Um eine traditionellere Metapher zu benutzen: Wenn wir die Klärung von Ansichten, Zazen und Achtsamkeit praktizieren, ziehen wir eine Pflanze auf, beeinflussen die Qualität ihrer Frucht und die Art, auf die wir sie ernten; und wir kochen die Frucht mit Hilfe unseres gegenwärtigen Geisteszustandes und unserer Handlungen, so dass sie verdaulicher wird. Kurz gesagt, unser Karma lässt sich umwandeln. Wir können uns unseres Karmas bewusst sein, in einem Prozess mit ihm stehen und nicht einfach nur sein Opfer sein. Entweder kochen wir unser Karma, oder wir werden von ihm gekocht.
Ich benutze diese Metaphern, damit wir zu einem hilfreichen Verständnis des Begriffs Karma kommen können. Wenn wir den Prozess und die Aspekte von Karma gründlich verstehen, kann das unserer Praxis wirkungsvoll Gestalt geben und unser Leben auf vorteilhafte Weise beeinflussen.

Die Übung von Karma

Wenn man Meditation übt und durch beliebige Gedanken und Assoziationen abgelenkt wird, ist es hilfreich, sich daran zu erinnern, dass der Zazen-Geist sich vom Geist des Schlaf- oder Wachzustandes unterscheidet; das Ausmaß des Unterschieds ist dabei von unserer Praxis abhängig. Der Zazen-Geist hat (auch wenn Ablenkungen vorhanden sind) andere und aktivere Auswirkungen auf das, was durch ihn hindurchgeht, als der passivere -und daher zu Vergegenständlichung neigende – gewöhnliche Geist des Wachzustands (die Ablenkungen sind dabei Teil dessen, was durch ihn hindurchgeht). Der Geist des Traumzustands ist wie der Zazen-Geist transformierend und stellt neue Verbindungen her, ist aber weniger bewusst – und hat seine eigenen Aufgaben zu erfüllen.

Man kann sich den Zazen-Geist als einen geistigen und körperlichen Raum vorstellen, der die Eigenschaften, Klarheit und gegenseitigen Verbindungen von dem, was durch ihn hindurchgeht, verändert. Der Zazen-Geist bietet uns auch eine Möglichkeit, unser Verständnis dieser Inhalte zu ändern. Weil der Zazen-Geist durch geistige und körperliche Konzentration, durch eine Kontinuumsverschiebung und eine Praxis des Nichtkorrigierens entsteht, entlockt er dem Gedächtnis eine umfassendere Auswahl von Inhalten als unser mehr auf Zweckmäßigkeit ausgerichteter und kulturell konditionierter Geist des Wachzustands. Schließlich wandelt der Zazen-Geist noch die Art und Weise um, auf die wir Erfahrungen als zugängliche, emotional beeinflusste und wirksame Erinnerung speichern.
Aus diesen Gründen ist die Zazen-Praxis in den ersten Jahren oft scheinbar (weil uns zu vereinfacht beigebracht wurde, dass unser Geist leer sein sollte) von unerwünschten Ablenkungen erfüllt. Tatsächlich ist aber viel von dem, was wie Ablenkungen aussieht, Teil eines Prozesses, in dem durch Überprüfung und Klärung unserer angesammelten persönlichen Geschichte und unseres Karmas ein stabiler Zazen-Geist aufgebaut wird. In diesen Anfangsjahren erziehen wir uns in Wirklichkeit durch den Buddha-Geist auf eine neue Weise.

Durch die buddhistische Praxis können wir unsere Ansichten im neuen Licht betrachten

Ablenkungen sind sowohl eine angsterfüllte Form der Verteidigung gegen Zazen wie auch der erste Schritt bei der Umwandlung dessen, was uns ablenkt. Sie sind ein notwendiger Abschnitt des Prozesses, in dem unser Karma in einen neuen Zusammenhang gebracht wird. Dies ist ganz besonders im Westen von Bedeutung, denn durch die buddhistische Praxis können wir unsere westlichen Ansichten und unsere persönliche Geschichte (die durch diese Ansichten aufgebaut wurde) im neuen Licht des Zazen-Geistes betrachten.
Um wirkungsvoll praktizieren zu können, müssen wir erkennen, wie unsere von anderen übernommenen und persönlich geschaffenen Ansichten unsere Fähigkeit, Dinge zu sehen und zu verstehen, behindern oder unterstützen. Hinter allen unseren Ansichten und Absichten stehen soziale, familiäre und persönliche Philosophien der einen oder anderen Art. Die ersten Monate (und sogar Jahre) der Zazen-Praxis bestehen hauptsächlich in einer Anerkennung, Klarstellung, Neuformierung und Neuspeicherung (in unserem Speicher-Bewusstsein) der Definitionen und Strukturen unserer Identität und Sichtweisen der Wirklichkeit. Hilfsmittel für Untersuchung und Klärung sind für einen Zen-Buddhisten die Zazen-Übungen von unkorrigiertem Geisteszustand (das Tor zum Ursprünglichen Geist), Konzentration und innerer Einsicht (ein Wissen, das auf einem nicht-externalisierenden konzentriertem Geisteszustand beruht).

Eine grundlegende buddhistische Übung besteht darin, die Vorstellung von Karma inmitten von geistigen und körperlichen Handlungen im Blickfeld zu behalten. Diese Übung dient der Praxis von Achtsamkeit sowohl als Lupe wie auch als Fernglas. ´Die Vorstellung von Karma im Blickfeld behalten' bedeutet, sich bewusst zu sein, dass jede Handlung Konsequenzen besitzt und die Gegenwart früherer Handlungen in sich trägt. Es bedeutet, zu wissen, dass jede geistige und körperliche Handlung sowohl ein Leiter für Karma wie auch ein Generator von Karma ist. Auf diese Weise beachten wir das Gesetz von Ursache und Wirkung indem wir wissen und erfahren, wie wir sowohl innerhalb der Gegenwart als auch mit Vergangenheit und Zukunft in gegenseitiger Abhängigkeit stehen -und eröffnen den Weg, auf dem wir unseren Geist der absoluten Unabhängigkeit entdecken.
Eine Auswirkung dieser Übung, Ursache und Wirkung im Blickfeld zu behalten, ist, dass sie uns die Gestalt unserer unmittelbaren Wirklichkeit zeigt -ihre Möglichkeiten, Einschränkungen und Grenzen. Dadurch bekommen wir Gespür und Fähigkeit dafür, innerhalb eines Spektrums zu handeln, das uns mit der Welt, uns selbst, unserer Familie, anderen Menschen und den Möglichkeiten von Buddha-Geist und -Identität verbindet.

Wir vergegenwärtigen uns, dass jede Handlung eine Konsequenz darstellt

Wir vergegenwärtigen uns, dass jede Handlung, einschließlich der geringfügigsten, eine Konsequenz darstellt und selber Konsequenzen hat. Wir vergegenwärtigen uns diese Ansicht, bis sie untrennbar von unserem Gewahrsein ist und bis wir uns selbst in diesem karmischen Schaltplan spüren können, der uns an die Vergangenheit bindet und uns mit der Gegenwart vereinigt. Wir sind daran gebunden, aber er stellt auch einen Stromfluss dar, der die Gegenwart auflädt. Als Ergebnis der klärenden Auswirkungen eines Bewusstseins, das auf den Richtigen Ansichten von Karma beruht, wird es für uns möglich, unser eigenes Karma umzuwenden, und nicht nur von ihm umhergedreht zu werden.
Zum Beispiel kann es vorkommen, dass wir uns auf die Zunge beißen, während wir etwas Bestimmtes sagen. Wir würden dann darauf achten, ob dies durch eine vergangenheitsbedingte Assoziation zu dem, was wir gesagt haben, ausgelöst wurde, oder durch die Absicht, die wir beim Sprechen hatten, oder durch eine Wirkung bzw. mögliche Wirkung dessen, was wir gesagt haben. Das ist einfach gesunder Menschenverstand in Verbindung mit Gewahrsein. Und genau dieses Gewahrsein und die Vorstellungen, die dem Gewahrsein Gestalt geben, machen die Zen-Praxis aus. 

Wenn wir in der Lage sind, durch die Praxis unsere Erfahrung von Kontinuität vom Strom unserer Gedanken zu befreien, und wenn wir im Gewahrsein selbst als Kontinuität ruhen, dann wird das Gewahrsein mehr von den Zusammenhängen berühren, in denen dieser ,Biss auf die Zunge' stattgefunden bat. Dieses Gewahrsein wird auch die Handlungen und Geisteszustände der beteiligten Personen und die energetische Konfiguration der Situation mit einbeziehen.

Die Texte des Karma

Karma wird nicht als etwas verstanden oder erfahren, das in einer Art Behälter gespeichert wird den man Unterbewusstsein nennt. Es wird in den gleichen Prozessen (und in Beziehung zu den gleichen Prozessen) gespeichert, die es erschaffen haben, und daher haben wir durch sie den wirkungsvollsten Zugang zu Karma. Wir versuchen nicht nur, uns einfach geistig zu erinnern, wir handeln in und aus den speziellen Bereichen von Geist und Körper, die sich mit Erfahrung und Erinnerung beschäftigen. 
Wenn man schriftstellerisch tätig ist weiß man, dass das Schreiben vom Schreiben selbst geschrieben wird. Auf ähnliche Weise denkt Denken das Denken. Gefühle werden von Gefühlen gefühlt. Die Gefühle sind es, die die Erinnerungen an Gefühle wiederentdecken - denn sie werden nicht im Denken gespeichert, sondern hauptsächlich im Feld der Gefühle selbst. Ebenso gibt es in jedem Sinnesfeld (Hören, Sehen, Berührung, Geschmack, Geruch, Geist) Erinnerung, Wissen und das Wiederentdecken von Erinnerung.
Wahrnehmung initiiert (und initialisiert) Wahrnehmung. Jede Wahrnehmung trägt das Karma früherer Wahrnehmungen, die die unmittelbare Wahrnehmung formen und ermöglichen. Jede Wahrnehmung, die auf Achtsamkeit beruht, kann die Gesundheit der Wahrnehmung wiederherstellen.

Das heißt zum Beispiel, dass wir ein Bewusstsein oder Wissen innerhalb der Gefühle selbst benötigen, das unabhängig vom Denken ist. Dies lässt sich durch Praxis entwickeln. Alle diese Begriffe (Denken, Wahrnehmung, Gefühle, Wissen) überschneiden sich hinsichtlich ihrer gewohnten Bedeutungen so sehr, dass ich Sie einfach bitten möchte, die Aussage zu akzeptieren, dass jene auch ziemlich unabhängige, selbst-organisierende Bereiche sein können.
Zum größten Teil speichern Gefühle die Erfahrung von Gefühlen, Gedanken speichern die Erfahrung von Gedanken, und so weiter. Gedanken erwecken auch die vergangenen Erfahrungen von Gedanken und rufen sie ins Gedächtnis zurück. Handlungen kehren zu der Erfahrung von Handlungen zurück. Gleichzeitig rufen Handlungen Gedanken hervor, Gedanken rufen Gefühle hervor, und so weiter. Erscheinungen, Situationen, Sprache: sie alle speichern und erwecken Gedanken, Gefühle, Assoziationen, Geschichte, etc. All daS überlappt sich und wird in Wechselwirkung miteinander zum Ausdruck gebracht und gespeichert. Um dieses Gewirr zu entwirren, sind im Zen die Übungen von Klärung, Meditation und Erleuchtung entwickelt worden.

Dies ist einer der Gründe dafür, dass im Buddhismus jedes Vijnana, jedes Sinnesfeld, sowohl unabhängig von den anderen Sinnen wie auch in deren möglichen Kombinationen geübt und entwickelt wird. Bei den meisten von uns Menschen aus dem Westen werden alle Sinne und unsere Vorstellung der Welt vom Augen-Bewusstsein und den darauf beruhenden begrifflichen Kategorien beherrscht. Daher sind fast alle unsere Erinnerungen, Ansichten und Schlussfolgerungen aus Erfahrungen mit einem auf Begriffen beruhenden Augen-Bewusstsein verstrickt. Aus diesem Grund haben wir nur sehr wenig Zugang zu Inhalten, Eigenschaften und Weisheit der Erinnerung, die entstehen, wenn jedes Sinnesfeld einzeln erkannt wird.
Auf diese Weise finden sich die ´Texte' des Karma in körperlichen, wahrnehmenden und geistigen Prozessen sowie in ihren möglichen Beziehungen. Karma, die Anhäufung unserer Erfahrung,wird also als ein Subtext von Körper, Sprache und Geist gespeichert -genauer gesagt als ein Subtext der fünf organisatorischen Kategorien, die man die Fünf Skandhas nennt (Form, Gefühle, Wahrnehmungen, geistige Assoziationen und Bewusstsein); als Subtexte der vier erfahrbaren Elemente (Festigkeit, Bewegungsvermögen, Flüssigkeit, Raum); als Subtexte jedes Sinnesfelds; und als Subtexte unserer Wechselwirkungen mit den Erscheinungen und Situationen der Welt.

Wir handeln und übernehmen Verantwortung. Dies zu wissen und danach zu leben ist Praxis.

Im Buddhismus wird ausdrücklich betont, dass wir alles, was geschieht, als unser Karma akzeptieren sollten. In Bezug auf Alltagsangelegenheiten beschäftigt uns nicht nur, wer den Stein geworfen hat, oder was seine oder ihre Absicht war, wir sind gleichermaßen dazu verpflichtet, Verantwortung für die kleinen Wellen zu übernehmen, die einfach dadurch entstehen, dass wir am Leben sind. Um der Zukunft willen untersuchen wir zwar die Beziehungen zwischen Absicht, Größe des Steins und Zustand des Wassers, aber in der Gegenwart übernehmen wir die Verantwortung für die Wellen, ohne den verursachenden Bedingungen die Schuld zuzuweisen.
Natürlich werden die Wellen, die durch unsere Handlungen ausgelöst wurden, das Kielwasser unseres Lebens, zu Karma für uns. Nicht beabsichtigtes Karma stellt nicht die gleiche psychologische und zukünftige Last dar wie Situationskarma, das entsteht, weil wir in einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort leben, aber es beeinflusst uns. Es beeinflusst auch andere; und diese Auswirkungen auf andere, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, sind ebenfalls Teil unseres Karmas. Allein schon am Leben zu sein und einen physischen Körper und eine eigene Persönlichkeit zu haben, erzeugt Samen des Karma.

Die zweite Edle Wahrheit - dass alles Ursache und Wirkung hat - bedeutet, dass wir eine Wahl haben, daher auch Verantwortung, und daher die Möglichkeit (und hoffentlich auch die Fähigkeit) Scham zu empfinden. Wir handeln und übernehmen Verantwortung. Dies zu wissen und danach zu leben ist Praxis. Es ist Teil des Karmas der Wahlmöglichkeit. Der tibetische Dichter und Heilige Milarepa sagte, dass er sowohl Offenbarung wie auch Reue geübt hatte, und dass er entdeckt hatte, dass Reue eine kraftvollere Reinigung und Befreiung von seinem Karma bewirkt hatte.
Der Schwerpunkt liegt im Buddhismus darauf, Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen; zu versuchen, es nicht zu wiederholen, wenn es keine guten Auswirkungen hatte; und zu versuchen zu einem Menschen zu werden, der es nicht wiederholt. Das entspricht gesundem Menschenverstand und ist doch schwierig. Die buddhistische Praxisbesteht darin, diese Schwierigkeit zu akzeptieren und sie zu bewältigen. Karma bedeutet, unsere Erfahrung in den Griff zu bekommen, um die Möglichkeiten des Lebens zu entdecken. Was wir erlebt haben wird nicht nur zu dem, was wir leben sondern auch zu etwas Belebendem. Durch die buddhistische Praxis wird unser Bild von uns selbst im Licht des Geistes akzeptiert, der die Schatten der Vergangenheit transformiert.

Westliches Karma

Begrifflich gründen sich Philosophie und Praxis des Buddhismus auf einer Geisteskunde, nicht auf einer Psychologie. In der buddhistischen Lehre gibt es keine Psyche, die Betonung liegt auf dem Geist. Wir Menschen aus dem Westen definieren uns jedoch durch das Erzählen einer persönlichen Geschichte, und deshalb müssen wir in Betracht ziehen, wie Gefühle, Definitionen des Selbst und Erfahrungen von Freude und Leid unsere persönliche Geschichte und unsere Erzählung der Geschichte des Selbst geformt haben. Diese Erfahrungen bilden auch das Material und den Kompost unserer Reifung und der Ausbildung unserer Individualität.
Wenn wir es gut mit uns meinen, sollten und können wir unsere Psyche, Seele und ihren Ausdruck in uns als Geschichte nicht ignorieren. Wir westlichen Buddhisten brauchen eine Praxis, die Geist und Körper auf eine Art und Weise mit einbezieht, die unsere persönliche Geschichte anerkennen und erfüllen kann. Wenn wir die Dynamik von Karma verstehen und durch Achtsamkeit im Blickfeld behalten, ist dies der wirkungsvollste Weg, um sowohl Psyche wie Geist einzubeziehen und zu verwirklichen.

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