Bei der Übung der Zen Kalligraphie im Zen Buddhistischen Zentrum Schwarzwald
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Zen-Kalligraphie

von
Alex Angehrn

Ich mache mich auf fürs erste Zazen, Stille im Hotzenhaus. Allein ziehe ich die Schuhe im Küchenraum an. Bin ich zu früh oder vielleicht sogar zu spät? Draussen muss ich darauf achten, im Dunkeln neben den Trittsteinen nicht in den Matsch zu treten.

Das ist der Begriff 足取 „Gangart, Schritt“ (japanisch ashidori), den wir in einem meiner Kurse schreiben. In einem japanischen Teegarten sind die Trittsteine in solchen Abständen verlegt, dass man eine gelassene Gangart (足取) annimmt. Die Trittsteine bestimmen in ihrer räumlichen Anordnung den zeitlichen Ablauf und meine Schritte zum Zendo.

Beim Eintritt in den Vorraum der Klang des Holzes. Ich verneige mich. Die Zeit ist richtig und die Zweifel vergessen. Nun bin ich erleichtert, mit dem Lauf der Zeit in Einklang. Es ist, wie wenn wir den Pinsel entschlossen aufsetzen, einen Strich gelassen und kontrolliert ziehen, ihn ohne Hast beenden.

Die Neuen erlernen heute den Rechtsabschwung, ein Strich von der doppelten Breite des Pinsels. Das ist wie ein Koan, das sich löst, indem man es macht. Man schiebt den Pinsel in einer schrägen Linie nach unten, senkt ihn langsam ab, bis er auf der ganzen Länge vollständig aufliegt, dann zieht man ihn horizontal weg, während man Kraft herausnimmt.
Durch die natürliche Elastizität des Pinsels ziehen sich die Haare von selbst wieder zur Spitze zusammen, vorausgesetzt, man lässt ihnen die Zeit dazu. Dieser Strich ist meistens der letzte eines Zeichens. Gibt man der Versuchung nach, das Zeichen zu forsch abzuschliessen, sträubt sich der Pinsel dagegen, in die Spitze zu gehen.

Am Abend kommt die Hausgruppe im Kursraum zu Besuch. Wir betrachten das Gedicht «Ich suche den Abwesenden, ohne ihn zu treffen» von Jia Dao (尋隱者不遇賈島). Die Fortgeschrittenen schreiben dieses Gedicht mit 4 Versen im halbkursiven Stil. In der Vorlage für das grosse Format tanzt die Schrift von oben nach unten und man sieht den Verlauf von den ersten, tuschereichen Zeichen bis zu den letzten, immer trockeneren Zeichen.

Was habe ich mich nicht schon abgemüht mit der richtigen Dosierung der Tusche! Lange war ich in Sorge, die Tusche reiche nicht bis zum Ende und habe die ersten Zeichen mit zu viel Tusche geschrieben. Ich brauchte Jahre, um den Pinsel genau richtig am Rand des Reibsteins abzustreifen und ohne Hast im genau richtigen Druck bis zum Ende zu schreiben. Jetzt kommt es ab und zu vor, dass die Pinselspitze elastisch, harmonisch und ohne Hast über das Papier hüpft und eine immer trockenere Pinselspur aufs Papier legt.

Ich habe einen wiederkehrenden Traum, wo ich zu spät zum Zazen komme. Vielleicht wird auch dieser irgendwann einmal verschwinden.


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