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Transformation ist möglich – Eintauchen in die Struktur der Praxiswochen

von
Anna Maringer

Wie Praxiswochen, Ango, Zazenkai und Sesshin festgefahrene Strukturen „meines“ Lebens in etwas Größeres hinein geöffnet haben

Tatsudo Roshi lehrt auf nahbare, praktische, körper- und weltbezogene und gleichzeitig mysteriöse Weise. Wie ist es möglich, von einem sich als getrennt erlebendes „Ich“ in eine völlig andere, gleichzeitig immer schon dagewesene und zutiefst vertraute Ebene des Seins „zu wechseln“?
Tatsudo Roshi spricht manchmal davon, sich in verschiedene Schaltkreise einzuwählen. Dabei muss nichts verschwinden, aber die Überbetonung verlagert sich vom narrativen Selbst in etwas Weiteres und das Ganze kann besser betrachtet werden. Vielleicht mehr so, wie die Dinge tatsächlich existieren – in konstanter Veränderung und wechselseitiger Abhängigkeit und Durchdringung.
Dabei kommt es mir manchmal so vor, als wären Vorlieben, Abneigungen, Erinnerungen, Geschichten, Probleme und Sehnsüchte, die ich als „meine“ zu beanspruchen versuche, mehr Bewegungen in einem weiten Raum. Das ist eine ziemliche Erleichterung, weil es mir unterscheiden hilft zwischen dem, was gerade tatsächlich passiert und dem, was eine Interpretation der Geschehnisse darstellt.

Im Körper ankommen – ein ruhiges Selbst

Ich mag es, dass in den Praxiswochen so viel Zeit-Raum und Einladung dafür da ist, die alltäglichen Haltungen Stehen, Gehen, Sitzen, Liegen näher zu erforschen. Ich darf genauer erkunden, was sowieso immer zur Verfügung steht – looking far into the near. Das ist für mich zu einer großen Kraftquelle geworden, jeder Ort fühlt sich dann wie der richtige an und man kann die Fähigkeit überallhin mitnehmen und nach innen und außen anwenden.
Ich fühle die Einladung, Aufmerksamkeit in meinen Körper zu gießen und manchmal meldet sich das Spürkörpergewahrsein zurück - Hallo! Wir sind lebendig.
Wie ist das spezifische Gefühl in meinen Füßen im Kontakt zum Boden? Ich frage innerlich nach meinem Körperschwerpunkt, der ein Gefühl von Verortung im Raum schenkt. Schwerkraft (gekrümmte Raumzeit) – wie wirkst Du gerade in meinem Körper? Wie hast Du mit der Aufrichtung meiner Wirbelsäule zu tun? Kann ich Dich in meinen Knochen wahrnehmen? …Und: werden meine Körperteile wirklich von der Erde angezogen? Ich frage nach, ich frage meinen Körper.
Mein Herz beruhigt sich in Richtung innen und unten.
„Wenn wir die vollen Verbeugungen machen, dann berühren wir den Boden einfach dreimal mit unserer Stirn – das kann in der heutigen Zeit wohl kaum verkehrt sein“.  
Tatsudo Roshi lehrt, wie ich mich in meinem Körper in Aufmerksamkeit entfalten kann und wie das einen Einfluss auf mein „In-der-Welt-Sein“ hat und intentional zutiefst wohlwollend und friedlich sein kann. Das eigene Glück ist verbunden mit authentischen, wohlbringenden Intentionen.

Die eigene Wahrnehmung als Schlüssel für Zufriedenheit – ein ruhiger Geist

Die Einladung, Sinnesfelder zu erforschen und zu öffnen: Wie reich sich Lebendig-sein anfühlen kann, wenn ich meine Aufmerksamkeit im Hören, Sehen, Schmecken, Riechen, Fühlen in mehrdimensionaler Rezeptivität lerne, sich entfalten zu lassen.
Ist der Brokkoli, den ich sehe, der gleiche, den ich im Mund fühle? Ich nehme den Brokkoli mit den Stäbchen, dabei spüre ich beide Handflächen zueinander. Jetzt kann ich ihn noch deutlicher riechen. Im Mund fühle ich die Struktur, die Temperatur. Dann entfaltet sich Geschmack.

Gemeinschaft – ein ruhiges Wir

Eigentlich dachte ich immer, ich wäre eine Einzelgängerin. Hier zu leben und zu praktizieren hat mir gezeigt, wie befriedigend und nahrhaft Gemeinschaft sein kann. Einfach Dinge miteinander zu tun – schweigend miteinander sitzen, gemeinsam Klang und Ton in den Rezitationen zu finden, gemeinsam Nahrung aufnehmen, gemeinsam für den Tagesablauf arbeiten. Gemeinsam den Wunsch zu hegen, die Welt zu einem friedlicheren Ort zu machen und dies in allem, was uns möglich ist im eigenen Leben, umzusetzen.
Baker Roshi sagt: learning how to be a tree in a forest – lernen, ein Baum im Wald zu sein. Sangha bedeutet übersetzt Wald. Wir wissen, dass Bäume über das Wurzelwerk miteinander vernetzt sind und so kommunizieren. Wenn es einem Baum mal nicht gut geht, dann verzichten die anderen auf die gewohnte Menge an Wasser. Ich bin an meiner Wirbelsäule im Raum verortet, gemeinsam mit anderen Wirbelsäulen.

In Verbindung mit der Lehre(rin) – das, was motiviert, weiterzumachen

Es ist besonders, alle zwei Tage mit einem Vortrag genährt zu sein. Es sind diese Veranstaltungen, an denen Tatsudo Roshi mit uns am nächsten in die Mine der So-heit steigt, um gemeinsam die Juwelen zu entdecken.

Es ist ein Privileg, so viel Zeit mit ihr und ernsthaft Praktizierenden in dieser jahrtausendealten Struktur zu teilen. Die Gelegenheiten, an einer Ango oder den Praxiswochen teilzunehmen, sind kostbar und rar. Die Lehre entwickelt ihren eigenen Praxiskörper, angepasst an Dich und mich, die Zeit, den Ort. Vielleicht arbeiten wir mit einem Text – in jedem Fall sind wir aufgefordert, nach der Version unseres Seins zu graben, dem Menschen, den wir uns gewünscht haben, dass er existiert.

Die Vorträge und Seminare in so dichter Abfolge haben mir geholfen, die eigene Erfahrung richtig einzuordnen und die Schlüssel zu verschlossenen Türen zu finden und einfach mal den Mut zu haben, eine Tür zu öffnen oder auch einfach Freude daran zu haben, zu warten, bis die Tür sich von selbst öffnet.

Ich fühle mich getragen, vom Lehrstrom, den Ritualen, den Vorträgen, der Gemeinschaft.

Wenn Du Dich für die Praxiswochen interessierst, schau doch mal hier.

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